Die Kriegsjahre
Am 30. Januar 1933 bekam Adolf Hitler von Reichspräsident Hindenburg die Reichskanzlerschaft und die Aufgabe der Regierungsbildung übertragen. Die Propagandaabteilung der NSDAP titulierte diesen Tag als „Tag der Machtergreifung“. Dennoch veränderte sich das Leben zuerst scheinbar nicht, die Menschen gingen weiterhin zur Arbeit und zur Schule. Als im Juni 1933, während der Köpenicker Blutwoche, Sozialisten aus Friedrichshagen gefangengenommen und teilweise ermordet wurden, schien das Leben auch normal weiterzugehen. Die NSDAP erließ Gesetze und Verordnungen, die das Leben jüdischer Mitbürger und Gegner des Regimes immer stärker einschränkte. Die Presse, Rundfunk, Gewerkschaften etc. wurden gleichgeschaltet. Kinder und Jugendliche sollten ebenfalls „gleichgeschaltet“ werden.
Dr. Reiske war seit 1925 Direktor, doch kam es in der Vergangenheit mit einem Teil der Elternschaft immer wieder zu öffentlichen Auseinandersetzungen, die ihren Ursprung in den politischen Spannungen dieser Zeit hatten. Am Ende des Jahres 1933 musste Dr. Reiske Friedrichshagen verlassen. Direktor wurde Dr. Otto Freitag, der bis zu seinem Tod durch ein Herzleiden, im November 1935, die Anstalt leitete. Oberstudienrat Dr. Steinbacher führte die Schule ein ganzes Jahr lang bis zur Übernahme durch den Koblenzer Mathematiker Dr. Eugen Herrmann im Dezember 1936. Dr. Herrmann versuchte die Schüler- und Lehrerschaft auf einen nationalsozialistischen Nenner zu bringen, jedoch stieß er immer wieder auf deren Widerstand.
Das Unterrichtsangebot und schulische Darbietungen wurden aufgrund von staatlicher Leitung und Normung minimiert; die Freizeit der Schüler sollte dem Deutschen Jungvolk und der Hitlerjugend zur Verfügung stehen. Es wurden Fächer wie Latein, Mathematik, Deutsch, Biologie, Sport, Musik und ab 1937 auch Englisch sowie Französisch, Chemie und Physik in den höheren Klassen unterrichtet.
In der Lehrerschaft gab es überwiegend männliche Kollegen. Bis 1939 unterrichtete nur eine Frau in der Aßmannstraße. Als dann aber vermehrt Männer zum Kriegsdienst eingezogen wurden, „rekrutierte“ man wieder mehr ehemalige weibliche und männliche Lehrer, teilweise aus dem Ruhestand, um den normalen Unterrichtsbetrieb aufrechtzuerhalten. Das in der Bruno – Wille – Straße eingerichtete Richard – Wagner – Oberlyzeum war ein sogenanntes Mädchenlyzeum, die König -Friedrich – Schule nur für Jungen. An den Schulen gab es ein Orchester (König – Friedrich – Schule), eine Schülerzeitung und sportliche Wettkämpfe. Die Schüler kamen aus den Randgebieten Berlins wie Rahnsdorf, Schöneiche, Rüdersdorf, Erkner und Köpenick.
Nadine Helwig
„Der Krieg hat eine ganze Reihe von einschneidenden Änderungen für unsere Schule mit sich gebracht…“, so beginnt das Mitteilungsblatt Nr.6 des Bundes der Eltern und Freunde der Richard – Wagner – Schule (heutiges Gerhart – Hauptmann – Gymnasium) Berlin – Friedrichshagen vom Dezember 1939. So mussten Schüler und Lehrer der König – Friedrich – Schule in der Bruno – Wille – Straße mit aufgenommen werden. Der Unterricht musste notgedrungen so gekürzt werden, dass jede Klasse nur noch 30 Wochenstunden unterrichtet werden konnte. Wochenweise wechselnd fanden diese Vor- und Nachmittags statt: Im Dezember vorm. 8.15 – 11.45 Uhr und nachm. 12.15 – 15.45 Uhr, im Januar vorm. 8.15 – 12.00 Uhr und nachm. 12.30 – 16.00 Uhr und im Februar vorm. 8.00 – 12.00 Uhr und nachm. 12.30 – 16.30 Uhr.
Während sich ein Teil der Jungen der Richard – Wagner – Schule freiwillig zum Militärdienst meldeten, war es den Mädchen der Nachbaroberschule gestattet, Kriegshilfsdienst, d.h. Arbeit in der Landwirtschaft zur Unterstützung der Bäuerinnen und verbliebenen Arbeiter oder im Reichsarbeitsdienst vor der Beendigung der Schulausbildung zu leisten. Im Erlass vom B. September 1939 wurde festgelegt, dass bei Vorlegung einer Bescheinigung über pflichtgetreue Arbeit im wichtigen Kriegshilfsdienst das Abgangszeugnis nachträglich den Vermerk erhält: „Der Schülerin wird auf Grund des Erlasses vom B. September 1939 die Reife zuerkannt.“ So machte der Nationalsozialismus es auch den Mädchen möglich, ihren Beitrag zur „erfolgreichen“ Beendigung des Krieges zu leisten. Bis 1940 konnte hier nur die Reifeprüfung abgenommen werden. Ab 1941 konnte man in Friedrichshagen auch die allgemeine Hochschulreife erlangen.
Am 15. September 1939 fand die Einweihung des Sportplatzes hinter dem Gebäude der Richard – Wagner – Schule statt. Da es zu dieser Zeit nur wenige Schulen mit einem eigenen, in unmittelbarer Nähe liegenden Sportplatz gab, galt diese Einrichtung als eine Besonderheit. Der zuvor noch als „Grassteppe mit verwilderten Obstbäumen“ titulierte Ort wurde in eine grüne Rasenfläche, umrandet von einer 250 m langen Lautbahn und entsprechenden Weit- und Hochsprunganlagen, verwandelt.
1940 kam es zu den ersten Kinder – Landverschickungen, an denen sich auch die König – Friedrich – Schule beteiligte. Auf Grund eines kurzen autobiographischen Berichts von Klaus Albrecht (1930- …), der mit 13 Jahren an der 4. KLV von 1943 nach Ustron/Polen in Oberschlesien teilnahm, ist es möglich, einen kleinen Einblick in dieses Leben weit entfernt vom Elternhaus in einer erzwungenen Gemeinschaft von 40 Jungen mit schlechten Lebensbedingungen zu nehmen. Vielen Jugendlichen war es erst nach mehreren Jahren vergönnt, Herrn Albrecht erst im Mai 1946, ihre Eltern wiederzusehen, einigen wenigen gar nicht. Von zwei Lehrern begleitet, erhielten sie zusammen mit anderen Schülern Unterricht in fremden Schulgebäuden, nicht selten mehrere Kilometer von der Unterbringung entfernt. Nach Beendigung des Krieges nahm ein Teil die schulische Ausbildung wieder auf. Die meisten halfen jedoch am Wiederaufbau mit. 1943 wurde die Schule völlig geschlossen und in ein Lazarett umgewandelt.
Franziska Bünger